Dienstag, 15. Juli 2008

2007 - Der Weg zum Frankfurt Marathon

So lief ich also im Jahre 2007 fast täglich. Vor der Arbeit oder nach der Arbeit, im Hellen oder im Dunkeln, bei Sonnenschein und Regen, mal kurz, mal lang... Regeln, also sportwissenschaftlich Fundiertes, gab es nur marginal. "Lang und langsam" war so eine Variante, die sich zu einer angenehmen Taktik herauskristallisierte. Dieser folgend kam es durchaus vor, dass Läufe zwischen 3 und 4 Stunden zur Regel wurden, vorzüglich am Wochenende. Tempo und Zeiten spielten zunächst keine Rolle.

Es dauerte etwa 7 Monate bis ich mir einen "Herfrequenzmesser" zulegte. Das Einsteigermodell der Firma Polar RS100 erschien mir genau für die Zwecke gemacht, die ich verfolgte. Es stellte sich sogleich heraus, dass sich meine Herzfrequenz durch die täglichen Läufe und die damit verbundene mir zu Teil gewordene Grundlagenausdauer in sehr sehr niedrigen Gefilden angesiedelt hatte. Mein Ruhepuls wollte kaum noch über die 45bpm klettern, beim Joggen selbst hatte ich meine Last, die 125bpm zu erreichen. Die Spielchen mit der neuen Uhr waren ein netter Nebeneffekt, mehr aber auch nicht. Dennoch schlich sich in mir ab und an - vorzüglich nach langen, gedankenverlorenen Wochenendläufen - die Idee ein, an einem großen Langstreckenlauf teilzunehmen. Es dauerte nicht lange, bis die Anmeldung zum "Dresdner Kleinwort Marathon Frankfurt 2007" unter Dach und Fach war.

Bei der Anmeldung wurde ich dann das erste Mal mit dem Thema "Laufgeschwindigkeit" konfrontiert, und zwar als ich in ein vorgegebenes Feld meine angestrebte Zielzeit formulieren sollte. Vereinzelt hatte ich mir sicherlich Gedanken gemacht, wie schnell das Gesamtpaket "ICH" - all inclusive: also Körper und Geist - die 42,195km hinter sich bringen könnte. Die magische Grenze von unter 4:00h sollte schon zu schaffen sein. Ich spekulierte nach allen Rechenspielchen mit unter 3:45h. "Safty first" war hier aber das oberste Gebot. Letztlich entschied ich mich aber für "No risk, no fun" und trug 3:30h als angestrebte Zielzeit für meinen ersten Marathon, der am Sonntag, 28.10.2007 vor der Festhalle in Frankfurt gestartet werden sollte.

Ab diesem Zeitpunkt schaute ich des Öfteren auf die Uhr, um zu wissen, in welcher zeit ich die gewohnten Strecken absolvierte. Dennoch hatte ich keine Panik. Nein, ich fieberte dem Tag im Oktober entgegen. Ein Nichtankommen auf der Finishline in der Festhalle hielt ich für gänzlich unmöglich, besaß ich doch mittlerweile eine hochgradig passable Grundlagenausdauer. Man könnte sagen, ich hatte großen Respakt vor den 42,195km und dem "Mythos" Marathon, aber Angst flöste mir die Streckenlänge keine mehr ein, war ich diese auf einem meiner ausgedehnten, extrem langen Sonntagsläufe sicherlich schon mal nnähernd bis überschreitend gejoggt.

Mittlerweile las ich auch vermehrt - immer auch um die steigende Aufregung zu konterkarieren - Zeitschriften, die sich im weitesten Sinne mit dem Thema "Laufen" befassten. Den Tipps dieser literarischen Quellen folgend, meldetete ich mich bei einem Halbmarathon an, der als Vorbereitung auf meinen ersten Marathon gelten sollte. So kam es also, dass ich am 14.10.2007 beim "Allessa Chemie Mainuferlauf" in Offenbach 21,1km laufend hinter mich brachte. Nun hatte ich einen Richtwert, der mir zeigte, wo ich stand. In Zahlen drückt sich mein erster Laufwettkampf, Bundesjugendspiele und Turnfeste aus Kindertagen mal abgezogen, wie folgt aus: Für meinen Heimatverein TV BAD ORB, für den ich als alter Lokalpatriot selbstverständlich an den Start ging, lief ich die Halbmarathondistanz in 01:32:03h. Damit erreichte ich in der Gesamtwertung Platz 77 und in meiner Altersklasse M30 den 12. Rang. Mit der Endzeit konnte ich verdammt gut leben, wobei sich erstmals der Gedanke einschlich, ob eine Zeit unter 90min nicht auch möglich gewesen wäre, im Hinblick auf meine bei der Anmeldung zum Frankfurt-Marathon angegebene Zielzeit aber insgesamt ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis. Die Welt dürfte mich einen Lügner schimpfen, wenn ich nicht zugeben würde, dass mich die Frage "Wie viel Zeit büßt man auf der vollen Marathondistanz im Vergleich zur Halbdistanz ein?" nicht beschäftigt hätte...

Mit dieser Frage im Kopf und etlichen Trainingskilometern in den Beinen startete ich - freudig erregt - zwei Wochen später beim Frankfurt Marathon. Am Abend zuvor fand das erste offizielle "Carboloading" (zu deutsch "Kohlenhydratmast") mit Freunden statt, die sich als kleine Fangemeinschaft, ergänzt durch meine Eltern, für den großen Tag angekündigt hatten.

Zum Marathon selbst kann ich sagen, dass es ein so faszinierendes Erlebnis war, mit über 18000 Menschen (inklusive Staffelstarter) die 42,195km zulaufen, dass ich von der Erinnerung heute noch zehre. Probleme hatte ich - außer einer Pinkelpause bereits bei etwa Kilometer 5 (direkt hinter die Alte Oper) - keine. Ich fühlte mich sehr fit, erkannte auf meiner Uhr schnell, dass ich meine heimliche Marschroute mit 5min pro Kilometer von Kilometer zu Kilometer deutlich unterbot und konnte in der zweiten Hälfte sogar noch das Tempo erhöhen. Bei Kilometer 32 verzählte ich mich, so dass ich diesen Kilometer - gefühlt - zweimal lief, aber das spielte keine große Rolle. Sobald ich langsamer zu werden schien, hatte ich im Kopf diverse Rezepte parat, die mich vorantrieben. Das funktionierte sehr gut, dennoch ist ein Kämpferherz und eine ordentliche Portion Willenskraft bei einer solchen Tortur von enormem Vorteil. Damit bestens ausgestattet zog das Rennen ab Kilometer 35 wie im Flug an mir vorbei. Ich sah einige Mitstreiter um den Titel "Marathoni" wegbrechen, vom Mann mit dem Hammer gejagt werden und krampfgeplagt aufgeben... Ich jedoch konnte mein Tempo durchziehen und ließ mich auf den letzten Kilometern von den Menschenmassen tragen. Der Einlauf in die Festhalle war "ganz großer Sport". Der Sprecher sagte sogar meinen Namen an, grandioses Gefühl. Hinter der Ziellinie sackte ich in mich zusammen, alle Anspannung fiel ab, alle gelaufenen Kilometer hatten sich gelohnt... Mir kamen die Tränen!

In einer Zeit von 03:10:21h belegte ich beim "Dresdner Kleinwort Marathon Frankfurt 2007" den 901. Gesamtrang und kam in der Altersklasse M30 auf Position 134.

Erwähnenswert am Rande ist, dass ich bei meinem ersten Marathon einen "NEGATIVSPLIT" hinlegen konnte, was sich dadurch ausdrückt, das es mir gelang, die zweite Hälfte des Rennens schneller zu laufen die erste. Zur Halbzeit stand eine 01:35:26 zu Buche und in der zweiten Hälfte lediglich eine 01:34:55h! NEAGATIVSPLIT!!!

Am Ende soll auch hier ein Zitat unkommentiert ausdrücken, was Marathon für mich emotional bedeutet:

"Marathon als Bild für eine extreme Ausdauerleistung hat von seiner mythologischen Wurzel und Bedeutung her ... etwas mit Leben, Tod und Weiterleben zu tun."

( A. Marlovits "Lauf-Psychologie - Dem Geheimnis des Laufens auf der Spur", S. 39)

Ergebnisliste des "Allessa Chemie Mainuferlaufs:

http://www.offenbacher-lc.de/veranstaltungen/ergebnisliste/erg.php?prefix=main

Ergebnisliste des "Dresdner Kleinwort Frankfurt Marathon" (mit abrufbaren Filmsequenzen alle 5km):

http://live.frankfurt-marathon.com/results2007/index.phpcontent=detail&id=470298&lang=DE&event=L

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