Samstag, 27. September 2008

BÜCHERKISTE VOl. 1: X-treme - Zur Soziologie des Abenteuer- und Risikosports

ETXTREMSPORT als Phänomen, sich in der modernen Welt zu bewegen, sie mit einem Selbstermächtigungsstreben zu konterkarieren, folglich aktiv das Leben zu steuern und es durch Handeln in vielerlei Hinsicht auf Kontingenz ausrzurichten, ergründet KARL-HEINRICH BETTE in seinem Buch "X-treme -Zur Soziologie des Abenteuer und Risikosports" als soziologisch-logisch überschaubaren Aspekt der Lensgestaltung.
Dieses Buch möchte ich an dieser Stelle jedem ans Herz legen, der eine aktive Affinität für Extremsport hat oder der sich anschicken möchte, zu verstehen, was es mit diesem Phänomen menschlichem Verhaltens auf sich hat. Zum besseren Verständnis picke ich kurz hinein in die ersten Kapitel, extrahiere - für mich - Essentielles, um so einen Einblick zu gewähren, in das, was sich in Gänze als wissenschaftlich fundamentiertes Grundlagendenken zu EXTREMSPORT in all seinen Kategorien ausformuliert.

Triathlon und Langstreckenlauf gelten gemeinhin als dem extrem, sind es doch ausdauersportliche Aktivitäten, die sich gerade in ihren - für mich faszinierenden, für viele aber unergründlichen - Ausprägungen IRONMAN und MARATHON als völlig absurde, nicht nachvollziehbare und teilweise gänzlich groteske Varianten sportlichen Treibens darstellen. Jedem jedoch, dem die Faszination, das Selbsterächtigungsstreben und die sich auftuende Wirkkraft von enormem ausdauersportlichen Aktivitäten immanent sind, wird keine Probleme haben, sich in extremsportlich Passioniertes hineinzudenken. Im Buch nennt Reinhold Messner Bewegunggründe, die ihn zu Extremsport antreiben:
Mein Unterwegssein hat wenige Richtlinien: [...] erstens, dass ich dorthin gehe, wo die anderen nicht sind; zweitens, dass ich mich von der Neugierde leiten lasse; drittens, dass ich bis zur Grenze gehe; viertens, dass ich riskiere, verändert [...] zurückzukommen und fünftens, dass ich meinem Herzen folge. (s. 35)

Der Akt dieser Selbstermächtigung durch z.B. extreme Ausdauerleistungen wird grundsätzlich - so die These - als ein menschliches Verhalten angesehen, in welchem sich das Individuum aktiv aufzuwerten und gleichwohl Partizipation am Nichtalltäglichen ersucht, sowie soziale Sichtbarkeit erlangen möchte:
Menschen riskieren Kopf und Kragen, um sich sozial sichtbar zu machen und den Nimbus der Einzigartigkeit zu erlangen. Das Bestreben nach Singularität und Besonderheit arbeiten die EXTREMEN in unterschiedliche Handlungsformen ein. Es zeigt sich [...] in ihrer ausgeprägten Leistungs-, Rekord- und Askesebereitschaft [...]. (S. 12)
Der Autor fasst diese Sportler hier zur klar definierten Gruppe der EXTREMEN zusammen, die nichts anderes tut, als durch ihr Verhalten - so die Begründungszusammenhänge - logisch erklärbar auf diverse Lebensbedingungen der in der modernen Gesellschaft wie Nichtigkeits- und Begrenztheitserfahrungen sowie eine auftretende Machtlosigkeit zu reagieren. Im Bestreben nach Autarkie und Freiheit wird das Zurückerlangen der "Macht über das eigene Handeln" zum zentralen Punkt.


Um Gefühle der Machtlosigkeit und geringen Einflußnahme zu kontern, begeben sich Menschen in Situationen hinein, in denen sie Macht und Kontrolle [...] ausüben können: [...] gegenüber der eigenen Psyche, dem ziviliesirten Selbst, und dem eigenen Körper sowie den dort installierten Empfindunghsmöglichkeiten - also gegenüber Schmerz, Müdigkeit, Euphorie, Angst, Demotivation [...], gegenüber der äußeren Natur in Gestalt der Höhen, Tiefen und Weiten des realen Raums [...]. Die Übernahme von Risiken ist der Preis, den diejenigen zu zahlen haben, die aus dem Schatten [...] heraustreten, um sich selbst zu ermächtigen. [...] Erst die Möglichkeit des [...] Scheiterns veredelt das Selbstermächtigungsstreben der Extremsportler und setzt es vom Routinehandeln im Alltag ab. Das Damoklessschwert der potentiellen Niederlage [...] verleiht [...] nicht nur einen besonderen Nimbus, sondern vermittelt auch ein Gefühl der Stärke und Mächtigkeit. (S. 29ff)
Diese - durch aktives Handeln in der Welt - geschaffenen Gefühle werden im Begriff der "Hyperinklusion" besonders deutlich (vgl. Mihaly Csikszentmihalyi "Flow - Das Geheimnis des Glücks")
. Hyperinklusion steht hier in einem Verständnis, dass davon ausgeht, dass Menschen in Extremsportsituationen völlig aufgehen. Der Autor versucht so jenen Zustand zu beschreiben,

in dem Menschen sowohl psychisch als auch physisch völlig integriert und gefordert werden und gerade deshalb auch Fähigkeiten, Fertigkeiten und Ressourcen mobilisieren und einsetzen können, die in anderen Lebenssituationen relativ bedeutungslos sind. (S. 33)
Dieses Exzerpt basiert auf den ersten drei Kapiteln des Buches. Für mich waren diese Anlass genug, diesen Post zu veröffentlichen. Ich denke, es sind ausreichend Aspekte dargeboten, um ein grundlegendes Verständnis zu erlangen, dem - durch die Lektüre - ein tieferes nachfolgen kann. Der Lesetipp ist hiermit auf jeden Fall manifesitert und unumstößlich zur Kenntnis gebracht. Ich schließe - der Tradition des Zitierens folgend - mit diesen wenigen, jedoch umso aussagekräftigeren Worten:

SPORT IST [...] DAS HOCHAMT DES SUBJEKTS. (S. 40)

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